FFT DÜSSELDORF | HOCHSCHULE DÜSSELDORF: „RE-IMAGINING PUBLIC LIFE“

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FFT DÜSSELDORF | HOCHSCHULE DÜSSELDORF: „RE-IMAGINING PUBLIC LIFE“

FFT DÜSSELDORF | HOCHSCHULE DÜSSELDORF

MedienkunstfondsFörderung

Laufzeit: Juni 2022 bis Juni 2023

Interventionen an Schnittstellen städtischer und digitaler Öffentlichkeiten, Erkundungen im Düsseldorfer Stadtraum.

Der Philosoph und Soziologe Henri Lefebvre hat 1968 das „Recht auf Stadt“ eingefordert. Die Hochschule Düsseldorf und das FFT Düsseldorf (Forum Freies Theater) betrieben in ebendiesem Sinne Feldforschung. Im Projekt Re-Imagining Public Life setzten sie sich forschend und künstlerisch mit der städtischen Umgebung auseinander.

Die Städte sind im Wandel und mit ihnen die Öffentlichkeit. Bauprojekte wie das Areal Kö-Bogen II in der Düsseldorfer Innenstadt mit dem sogenannten Ingenhoven-Tal und der Neugestaltung des Gustaf-Gründgens-Platzes versprechen eine nachhaltige ,Reparatur‘ der Stadtlandschaft und des urbanen Lebens. Doch welche Formen von Öffentlichkeit finden hier statt? Welche Rolle spielen Privatisierung, Investment, Stadtmarketing und Design? Was passiert mit dem Verkehr und was ist eigentlich ,grüne Architektur‘? Für die Hochschule Düsseldorf und das FFT Düsseldorf wurde das Ingenhoven-Tal zum Experimentierfeld für spielerische Formate. In Workshops, einer Ausstellung im Foyer des FFT, einem performativen Stadtspaziergang und einem Tischgespräch erforschten sie aktuelle Tendenzen der Stadtentwicklung und befragten die Erzählungen, die die städtebaulichen Eingriffe und Planungen begleiten. Dabei folgten sie eben nicht der (unbewussten) Logik der Optimierung, sondern re-imaginierten Formen eines anderen Zusammenlebens. Mit der Eröffnung einer Unbedingten Universität unter freiem Himmel oder beim Stadtspaziergang Sichtgrün – Die steinernen Täler und grünen Hügel der Stadt mit dem Performer Hauke Heumann, dem Fotografen Jan Lemitz und dem Dramaturgen Moritz Hannemann intervenierten sie in den alltäglichen 38 Strukturen der Lebens- und Arbeitswelt – spielerisch, spekulativ, reforschend, performativ, auch im Sinne eines cultural hackings, also
affirmativ-kritisch, eingreifend und verändernd zugleich.

PROJEKTBETEILIGTE:
Moritz Hannemann, Hauke Heumann, Jan Lemitz, Janna Lichter, Marcel Mücke, Laura Oldörp, Lukas Röber, Anja Vormann und Studierende der HSD Düsseldorf; sowie Kai van Eikels, Alexander Konrad und Wen Wu im Rahmen von Workshops und Klaus Englert, Sebastian Kirsch, Dagmar Pelger, Christoph Schäfer und Laura Strack im Rahmen des Tischgesprächs

RE-IMAGINING PUBLIC LIFE
Werkstatt, Ausstellung, Stadtspaziergang, Tischgespräch

30.05. – 04.06.2023


Paradise– Park–, der Ü-Wagen der Hochschule Düsseldorf (HSD), und das FFT laden zu Erkundungen im Düsseldorfer Stadtraum ein. Mit dem Umbau der Stadt verändern sich auch die Formen der Öffentlichkeit auf Plätzen und an öffentlichen Orten. Ausgehend vom Areal Kö-Bogen II erforscht Re-Imagining Public Life Zusammenhänge von Privatisierung und Investment, Stadtmarketing und Design, Nachhaltigkeit und Stadtentwicklung.
Anja Vormann und Studierende der HSD eröffnen eine Unbedingte Universität unter freiem Himmel. Dabei wird das „Ingenhoven-Tal“ zum Experimentierfeld, auf dem Besucher*innen und Passant*innen lernen und forschen können – im eigenen Rhythmus und in Auseinandersetzung mit der Umgebung. Hauke Heumann und Jan Lemitz gestalten einen performativen Spaziergang Zu den steinernen Tälern und grünen Hügeln der Stadt, der Bilder und Texte mit Orten im Stadtraum konfrontiert. So werden Brüche in der aktuellen Stadtentwicklung und historische Projektionen erfahrbar. Das FFT-Foyer wird Werkstatt und Ausstellungsraum zugleich: Von hier brechen wir in den Stadtraum auf, hier versammeln wir Projektergebnisse und diskutieren die Transformation von Stadt und Öffentlichkeit bei einem Tischgespräch.
Von und mit Hauke Heumann, Jan Lemitz, Anja Vormann & Studierenden der HSD Düsseldorf


DIE UNBEDINGTE UNIVERSITÄT – TRYOUTS

Die unbedingte Universität begann täglich (30.5. – 2.6.) um 11 Uhr mit einem einstündigen Workshop im FFT. Nach einer Mittagspause wurden die erlernten Techniken von etwa 14 bis 16 Uhr im Ingenhoven-Tal angewendet. Die Ergebnisse dieser Versuche wurden in eine Ausstellung überführt, die im Zeitraum 2. – 4.6. im FFT-Foyer zu sehen war.
Weitere Infos zum Programm der Unbedingten Universität gibt es hier

Die unbedingte Universität hat ihren Ort nicht zwangsläufig, nicht ausschließlich innerhalb der Mauern dessen, was man heute Universität nennt. Sie wird nicht notwendig, nicht ausschließlich, nicht exemplarisch durch die Gestalt des Professors vertreten. Sie findet statt, sie sucht ihre Stätte, wo immer diese Unbedingtheit sich ankündigen mag. – Jacques Derrida, Die unbedingte Universität
Anja Vormann und Studierende des Fachbereichs Design der Hochschule Düsseldorf experimentieren zwischen FFT und Stadtraum mit den Grundfesten ihrer eigenen Disziplin. Im Zusammenhang mit der Forderung nach einem „Recht auf Stadt“ (Henri Lefebvre), bei der die Stadtgesellschaft Transformator des urbanen Lebens sein sollte, wird die Rolle des Designs kritisch betrachtet und untersucht. Wie können Designer*innen mit den ihnen zur Ver­fügung stehenden künstlerischen Mitteln, ihrem Wissen und ihrer Erfahrung Dinge tun, die nicht der (unbewussten) Logik von Optimierung und Konsum folgen?
Mit dieser Frage gehen wir nach draußen: Unter freiem Himmel betreiben wir Feldforschung und setzen uns mit der städtischen Umgebung auseinander, die wir vorfinden und an deren Hervorbringung wir beteiligt sind. Das sogenannte Ingenhoven-Tal und der neugestaltete Gustaf-Gründgens-Platz werden zum Experimentierfeld für spielerische Formate, die sowohl Werk als auch Lehre sind. Besucher*innen sind eingeladen, an unseren Kursen teilzunehmen und die rhetorische Kraft von Text-, Bild- und Raumgestaltung im Verhältnis zum Stadtraum zu erfahren.


Sichtgrün
Zu den steinernen Tälern und grünen Hügeln der Stadt

Stadtspaziergang

Das 20. Jahrhundert baute mit Sichtbeton, das 21. Jahrhundert baut Sichtgrün. In der Düsseldorfer Innenstadt befindet sich die größte Grünfassade Europas: Auf dem Areal Kö-Bogen II, zwischen Shadowstraße, Hofgarten und Schauspielhaus, befindet sich ein Geschäfts- und Bürogebäude, dessen Dach und Seiten mit ca. 30.000 Hainbuchen bepflanzt sind. Auf einheitliche 1,35 Meter gestutzt bilden sie eine Hecke von insgesamt rund 8 Kilometern Länge. Diese Architektur wird als Vorbote einer Tendenz des Stadtumbaus gefeiert, die Klaus Englert in seinem kürzlich erschienenen „Architekturführer Düsseldorf“ auf die Formel „von der barocken Gartenstadt zur Green City“ bringt.
Die Green City der Zukunft ist alles andere als autofrei – der Verkehr wurde neugeordnet, durch Tunnel geführt und ist nun unsichtbar. Stattdessen soll die weitgehend verrohrte und überbaute Düssel vielerorts wieder freigelegt werden, sodass ein blaugrüner Ring aus Wasserläufen und Parkflächen entsteht, der nebenbei die kulturellen Hotspots der Stadt verbindet. Im Rekurs auf das historische Stadtbild werden die ‚Bausünden‘ der Nachkriegszeit, mitunter als „zweite Zerstörung Düsseldorfs“ tituliert, ausgebügelt. Und mit der Neugestaltung des Gustaf-Gründgens-Platzes wurde ein unwirtlicher Durchgangsort in einen attraktiven öffentlichen Platz verwandelt. Die Stadt, so das Versprechen, wird repariert und den Bürger*innen zurückgegeben – als ein Lebensraum, der die Bedürfnisse von Mensch und Natur, Kultur und Shopping, Klima und Urbanität ganzheitlich und nachhaltig miteinander verbindet. Wie stimmig sind diese Narrationen, die die städtebaulichen Eingriffe und Planungen begleiten? Während beim Sichtbeton auf die Verkleidung der tragenden Konstruktion verzichtet wird, verdeckt das Sichtgrün nicht nur die verbauten Betonmassen, sondern auch die Eigentums- und Arbeitsverhältnisse, die die neu entstandene Stadtlandschaft prägen.
Der Schauspieler und Performer Hauke Heumann sowie der Fotograf und Künstler Jan Lemitz haben einen Stadtspaziergang entwickelt, bei dem Texte und Bilder mit konkreten Orten im Stadtraum konfrontiert werden. Auf dem Weg zu den steinernen Tälern und grünen Hügel der Stadt werden historische Projektionen erfahrbar und Fragen an die aktuelle Stadtentwicklung laut. Welchen Platz hat die Stadtbevölkerung angesichts eines Baugeschehens zwischen Naturnachahmung und Investment? Und welche Formen öffentlichen Lebens können in diesem Stadtraum stattfinden?

Von und mit: Moritz Hannemann, Hauke Heumann, Jan Lemitz. Audioaufnahmen: Simon Nieder. Gestaltung Faltblatt: Marian Fitz. Dank: Theatermuseum Düsseldorf / Dumont-Lindemann-Archiv, Katrin von Chamier / human voice studio.

Die Spaziergänge fanden im Juli und September 2023 statt.

In der Podcast-Folge spricht Sophie Emilie Beha  mit den Projektbeteiligten Anja und Moritz sowie Design-Studierende der Hochschule Düsseldorf, wie sie sich dieser Form der Stadtgestaltung in Spaziergängen und Workshops kritisch, spielerisch und experimentell angenähert haben.

Das FFT Düsseldorf (Forum Freies Theater) ist ein Produktionshaus für freie darstellende Künste, das in einem Netzwerk aus Produktionsstätten, Theatern und weiteren Partner*innen lokal, (über)regional und international agiert. Neben Theater, Performance, Tanz und Musik präsentiert es auch Formate an den Übergängen zwischen verschiedenen künstlerischen Disziplinen und Medien. Dabei stellt es Künstler*innen nicht nur Produktionsmöglichkeiten und eine
Bühne zur Verfügung, sondern erforscht neue Ideen und Räume des öffentlichen Austauschs und der Kooperation. Im Fokus stehen dabei die Themenfelder Demokratisierung, urbanes Leben und Handeln, Postkolonialismus und Transkulturalität sowie Vernetzung und Digitalität. Das FFT ist Teil des Bündnisses internationaler Produktionshäuser.

Paradise–Park– ist der Ü-Wagen des Fachbereichs Design der Hochschule Düsseldorf. Er geht der Frage nach, wie wir in Zukunft gemeinsam in den Städten leben möchten. Designer*innen sind Produzent*innen von Atmosphären, Lebensräumen und Wünschen, dabei häufig unter der Regie
marktförmiger Strategien. Paradise–Park– arbeitet gegenläufig: Mittels künstlerischer Interventionen werden Entwürfe und Räume dekonstruiert, um ihre Wirkungsabsichten und Funktionen freizulegen. Als mobiles Stadtlabor versteht sich Paradise–Park– als Instrument der Partizipation, das Bürger*innen Gestaltungsmedien verstehen und Stadt aktiv mitgestalten lässt. Design erweitert sich in den Bereich der Kritik, der Vermittlung sowie der Produktion alternativer Stadtentwürfe. Paradise–Park– sind Anja Vormann als Professorin des Fachgebiets audiovisuelle Medien sowie die Mitarbeiter*innen Janna Lichter, Laura Oldörp und Patrick Kruse.

Credits: Fotos Stadtspaziergang @ Jan Lemitz & @ PLZZO