Vera Drebusch
1986, herdecke
stipendium 2016
Das Stipendium des Landes Nordrhein-Westfalen für Medienkünstlerinnen 2016 wurde an Vera Drebusch vergeben.
Mitglieder der dreiköpfigen Jury waren Dr. Inke Arns (Direktorin des HMKV Hartware Medienkunstverein, Dortmund), Thomas Thiel (ehem. Direktor des Kunstverein Bielefeld) und Céline Berger (Künstlerin und NRW-Medienkunst-Stipendiatin 2015, Köln). Die Jury hat die Stipendiatin aus 43 Bewerbungen ausgewählt.
Begründung der Jury
Die 1986 in Herdecke geborene und in Köln lebende Künstlerin Vera Drebusch setzt sich in ihren Foto-, Text- und Medienarbeiten mit Zeitgeschichte auseinander und aktualisiert diese in Form persönlicher Erinnerungen. So thematisiert Vera Drebusch in der Fotoarbeit Route (2014) die Vertreibung ihrer Großmutter nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Künstlerin ist die 300 km lange Route von Polen über die Tschechoslowakei nach Deutschland mit dem Fahrrad abgefahren und projiziert diese Wegstrecke als Google-Map auf ihr Dekolleté: Der Fluchtweg der Großmutter erscheint als blaue Äderung der eigenen Haut. Geisel-Radio (2014) entstand während eines Aufenthaltes in Kolumbien 2013. Jeden Samstag sendet der größte Radiosender Kolumbiens von Mitternacht bis um 6:00 Uhr des nächsten Tages Nachrichten von Familienangehörigen der vielen Entführten an die Gekidnappten im Dschungel. Die Installation besteht aus einem Radiosender und einem Weltempfänger, aus dem ein von Vera Drebusch verfasster und gesprochener Text zu hören ist – und all dies ist vor einem von hinten beleuchteten Stück Levanto Rosso (Blutmarmor) platziert. Auch in anderen Projekten arbeitet Vera Drebusch mit den Methoden der Verdichtung und der Sichtbarmachung. Ihr neues Projekt, das im Rahmen des Stipendiums des Landes NRW für eine Medienkünstlerin 2016 realisiert werden soll, hat den Titel Die Höhle des Löwen.
Die Höhle des Löwen, Mixed Media Installation (Diaprojektion, in Stahl gerahmte Bilder, 50 x 70cm), 1987/2006/2016:
In einem autobiografischen Werk spürt Vera Drebusch dem Verhältnis zu ihrem Kindheitsfreund nach. Wie Geschwister waren beide aufgewachsen, er nahm dann aber eine völlig andere Entwicklung: 11 Jahre lang gehörte er der rechten Szene an, war zwei Mal im Gefängnis, bis er erst kürzlich den Ausstieg schaffte. Die gemeinsamen Fotografien aus den vergangenen 30 Jahren sind stark bearbeitet, sowohl das Gesicht als auch großflächige Tätowierungen sind (auch zur Anonymisierung) ausgeschnitten. Den Versuch der Annäherung in langen Gesprächen dokumentieren Zitate, die in Handschrift vom Diaprojektor an die Wand geworfen werden. Die Empore von Sankt Peter dient als Ausstellungsort. (Mario Müller)
Vera Drebusch (1986 in Herdecke) lebt und arbeitet in Hamburg, absolvierte ein Diplom-Fotostudium in Dortmund und studierte anschließend an der Kunsthochschule für Medien Köln, an der Universidad Nacional de Colombia in Bogotá und als Gast an der Hochschule für Künste Bremen und der Kunsthochschule Kassel. 2013 gründete sie den Ausstellungsraum GOLD+BETON am Kölner Ebertplatz. Von 2015 bis 2019 übernahm sie Lehraufträge am Institut für Kunst und Kunsttheorie an der Universität zu Köln sowie an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. Für den Westdeutschen Künstlerbund kuratierte sie Ausstellungen im In- und Ausland.
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